ECC-Box 09/2024 Interview mit den Gründern des Oh la la! Gins
Über das Handwerk hinter dem Oh la la! Gin haben wir im vorherigen Blogpost schon richtig viele Infos gesammelt. Aber wer sind eigentlich die Menschen, die in und hinter der Distillerie Lehmann stehen? Wir wollten Yves (Vater) und Florent (Sohn) noch besser kennenlernen und haben ihnen unsere Fragen gestellt. Dabei haben wir uns möglicherweise etwas verquatscht und herausgekommen ist unser bisher längstes Interview beim ECC. Viel Spaß beim Reinlesen!
ECC: Wir fangen mal ganz vorne an: Wie seid ihr in euren verschiedenen Generationen jeweils in das Familienunternehmen hineingewachsen? Und welche Jobs würdet ihr heute wohl ausführen, wenn ihr die Destille nicht übernommen hättet?
Yves: Ich habe zunächst eine Ausbildung zum Sonderpädagogen gemacht, aber von klein auf bin ich in die Welt der Destillation eingetaucht. Alles, was ich weiß, habe ich von meinem Vater gelernt, der mir sein Wissen und seine Leidenschaft für die Destillation weitergegeben hat. Meine Kindheit war geprägt von den Düften, Aromen und handwerklichen Techniken unserer Familienbrennerei. Diese Weitergabe zwischen den Generationen hat es mir ermöglicht, ein einzigartiges Fachwissen zu entwickeln, das in der Tradition verwurzelt ist und durch die jahrelange praktische Erfahrung an der Seite meines Vaters bereichert wurde.
Wenn ich die Brennerei nicht übernommen hätte, würde ich heute wahrscheinlich mit Kindern mit besonderen Bedürfnissen oder gefährdeten Jugendlichen arbeiten, da das meine Grundausbildung ist. Ich hatte damals auch die Möglichkeit, in den Sommerferien in Ferienlagern zu arbeiten, wodurch ich schon praktisch aktiv war und eine Leidenschaft für die Unterstützung von Jugendlichen in schwierigen Situationen entwickeln konnte.
Florent: Ich wollte zuerst meine eigene Karriere aufbauen, bevor ich in die Brennerei kam. Für mich ist es wichtig, einen anderen Blickwinkel und eine andere Perspektive aus anderen Kulturen zu haben. Deshalb habe ich beschlossen, 5 Jahre in Asien zu verbringen, wo ich meine Karriere im Maschinenbau begann – was ich heute vermutlich immer noch tun würde, wenn ich nicht ins Familiengeschäft eingestiegen wäre. In dieser Zeit habe ich viel gelernt und sie hat wesentlich zu meiner persönlichen und beruflichen Entwicklung beigetragen. Es war mir wichtig, mit meinem maschinenbaulichen Hintergrund und den 5 Jahren Erfahrung in Asien in die Brennerei zurückzukehren, um frische Perspektiven zu bieten und die Dinge durch eine andere Linse zu sehen.
Wer hat euch in eurer Arbeit am meisten beeinflusst?
Yves: Mein Vater hat mich in meiner Arbeit am meisten beeinflusst. Er ist derjenige, der seine Leidenschaft für die Destillation und sein einzigartiges Fachwissen weitergegeben hat. Dank ihm lernte ich die Feinheiten des Handwerks und die Bedeutung von Qualität und Tradition. Seine Hingabe und sein Engagement für unsere Familienbrennerei haben mich immer inspiriert, mein Bestes zu geben. Jeden Tag erinnere ich mich an seine Ratschläge und sein Fachwissen, und ich bemühe mich, das Erbe, das er mir anvertraut hat, weiterzuführen.
Florent: Ich habe meinen Master in Maschinenbau in Karlsruhe gemacht. Während dieser Zeit lernte ich einige der einflussreichsten Menschen in meinem heutigen Leben kennen. Wir sind jetzt alle auf unterschiedlichen Wegen unterwegs, aber meine Freunde aus dieser Zeit waren mein Fels in der Brandung in meinen besten und schlechtesten Tagen.
Mein Vater ist außerdem die Person, zu der ich täglich aufschaue. Sein Engagement und seine tiefe Leidenschaft treiben mich an und verändern meine Sichtweise, wie ich den vor mir liegenden Herausforderungen begegne.
Ihr habt nun beide eure Väter als Vorbilder genannt. Wie ist es denn für euch als Vater-Sohn-Duo zusammenzuarbeiten?
Yves: Mit Florent zusammenzuarbeiten ist eine erfüllende Erfahrung. Es ist eine Mischung aus Tradition und Innovation, bei der ich mein Wissen weitergeben und gleichzeitig von seinen frischen Perspektiven lernen kann.
Florent: Wir haben das Glück, ein gemeinsames Projekt zu haben und täglich in eine gemeinsame Richtung zu arbeiten. Letztendlich verstehen wir uns trotz unserer unterschiedlichen Persönlichkeiten, weil wir unsere Tage mit denselben Aufgaben verbringen. Natürlich stehen wir wie andere Familienunternehmen auch vor Herausforderungen. Aber in unserem Fall haben wir festgestellt, dass sich unsere Unterschiede ergänzen und wir so friedlich, produktiv und aktiv arbeiten können. Wir sind die letzten beiden Lehmanns der Familie Lehmann, und es erfüllt mich mit großem Stolz, das Erbe fortzuführen
Was hat es eigentlich mit dem Flaschenetikett mit den zwei Vögeln auf sich?
Florent: Die beiden Vögel symbolisieren die Zusammenarbeit zwischen den Generationen - meinem Vater und mir. Sie stehen für unsere gemeinsame Reise und die Verschmelzung unserer Fähigkeiten und Kenntnisse. Die Idee entstand in der Destillerie: Diese beiden Vögel fliegen bei uns ein und aus und sind immer zu zweit unterwegs. Eines Tages flog einer der Vögel in die Destillerie und setzte sich auf eine unserer angestammten Brennblasen. Das Bild war perfekt, und so kam ich auf die Idee. Meisen sind auch ein Symbol für Vorfahren und Loyalität. Ich fand, dass das eine großartige Darstellung der Beziehung zwischen mir und meinem Vater und den Lehmann-Generationen vor uns ist.
Das Familienunternehmen nimmt einen großen Teil eurer Leben ein. Wie schafft ihr einen Ausgleich zu eurer Arbeit? Oder gönnt ihr euch auch nach der offiziellen Arbeit auch noch einen Drink und diskutiert dann weiter darüber?
Yves: Ich muss zugeben, dass es schwierig ist. Die Destillerie nimmt meine ganze Zeit in Anspruch. Es ist ein Beruf, der von Leidenschaft und Neugier getrieben wird. Ich bin ständig auf der Suche nach neuen Produkten, um neue Dinge zu testen, und ich liebe meine Arbeit besonders. Es kommt selten vor, dass ich eine Pause mache, aber wenn, dann genieße ich es, eine unserer Spirituosen zu trinken – zum Vergnügen, aber auch, um über neue Ideen nachzudenken.
Florent: Wir befinden uns in einer Übergangsphase, in der ich die Destillerie übernehme und mein Vater sein Know-how an mich weitergibt. Wir verbringen beide sehr viel Zeit bei der Arbeit. Die Zeit, die wir miteinander verbringen, nutzen wir vor allem, um uns auszutauschen und zum Beispiel über Investitionen und zukünftige Projekte zu sprechen.
Apropos Zukunft: Florent, welche Visionen hast du für das Familienunternehmen?
Meine Vision ist es, unsere Produktpalette zu erweitern und gleichzeitig unsere traditionellen Werte zu bewahren. Ich möchte innovative Produkte einführen und neue Märkte erschließen, sowohl im Inland als auch im Ausland, und gleichzeitig die Nachhaltigkeit unserer Praktiken sicherstellen.
Die Destillerie soll ein herzlicher Ort bleiben, der Menschen zusammenbringt. Ich betrachte die Dinge nicht immer nur vom geschäftlichen Standpunkt aus, sondern manchmal auch aus einem leidenschaftlichen Blickwinkel. Gerade in diesem Monat haben wir 5 neue Obstbrände auf den Markt gebracht, das erfordert definitiv mehr Arbeit, aber am Ende des Tages ist es unsere Passion.
Meine Vision ist es, auch den französischen Whisky auf die Weltkarte zu bringen und den Branntwein mit Luxus zu versehen. Auch Obstbrände sollen zugänglicher und attraktiver werden. Ich betrachte Trends, Produktentwicklung und Verkauf nicht nur als Aufgabe, sondern als eine sinnvolle Reise.
Wie ist es für dich, Yves, das Zepter an die nächste Generation weiterzureichen?
Das ist ein stolzer Moment für mich. Es bedeutet die Fortführung unseres Familienerbes. Ich vertraue auf seine Vision und glaube, dass er die Destillerie zu neuen Höhen führen wird.
Da sind wir ganz sicher. Lasst uns mal zum Produkt selbst kommen: Warum habt ihr euren ersten Gin so genannt? Oh la la?
Florent: Unser Gin heißt OH LA LA, um seine 100%ige französische Identität und seine Wurzeln zu betonen, indem er einen bekannten französischen Ausdruck aufgreift. Oh la la ist auch Teil unserer Birdy-Reihe, in der jedes Produkt nach einem französischen Ausdruck benannt ist. Oh la la ist ein verspielter und feierlicher Ausdruck und damit die ideale Wahl für unseren Gin.
Der Ausdruck wird auch häufig mit Gefühlen der Überraschung und Bewunderung in Verbindung gebracht und ruft ein Gefühl des Staunens hervor. Wir möchten, dass die Menschen bei der Verkostung unseres Gins ihren eigenen „Oh la la“-Moment erleben.
Très français! Was bedeutet denn eure Heimat für euch? Was verbindet euch mit dem Elsass?
Yves: Meine Familie ist seit Generationen im Elsass verwurzelt, weshalb ich mir nicht vorstellen kann, woanders zu leben. Das Elsass ist für mich mehr als nur ein Wohnsitz, es ist das Herz unserer Familiengeschichte und unseres kulturellen Erbes. Die elsässischen Branntweine stehen für eine einzigartige Handwerkskunst, auf die ich sehr stolz bin. Auch die Früchte, die wir für unsere Destillationen verwenden, stammen aus diesem reichen und großzügigen Land. Der elsässische Boden hat mit seinen üppigen Obstgärten und schönen Landschaften so viel zu bieten. Das Elsass ist nicht nur ein Ort der Arbeit, sondern auch ein Ort, an dem ich mich ständig zu neuen Kreationen und Innovationen inspirieren lasse. Heimat bedeutet für mich Tradition, Familie und eine tiefe Verbundenheit mit dem Land. Es ist ein Ort, an dem jede Ecke, jeder Geruch und jeder Geschmack mich an Kindheitserinnerungen und die Kontinuität unseres Brennereihandwerks erinnert.
Florent: Heimat ist für mich der Ort, an dem ich mich am wohlsten fühle. Obwohl ich 5 Jahre lang in Asien gelebt habe, wusste ich immer, dass ich ins Elsass zurückkehren würde.
Was würdet ihr sagen: Wie hat sich der Markt für Craft-Spirituosen in Frankreich in den letzten Jahren entwickelt?
Das geht in Wellen. Wenn es der Wirtschaft gut geht, werden handwerklich hergestellte Produkte bevorzugt, während in Zeiten des wirtschaftlichen Abschwungs industrielle Produkte beliebter werden. In Frankreich wächst aber grundsätzlich die Wertschätzung für lokale Produkte, was einen anhaltenden Trend widerspiegelt. Vergleicht man die aktuelle Situation mit früheren Jahrzehnten, so ist ein kollektives Bemühen um handwerkliche, qualitative und lokale Produkte zu erkennen.
Letzten Endes werden bedeutende Mengen von Gin in der Barindustrie verkauft, wo die Menschen auf Entdeckungstour gehen. Die Anpassung an diese Marktdynamik ist für uns sehr wichtig.
Entdeckungstour ist ein schönes Stichwort! Angenommen jemand ist noch nie mit Gin in Berührung gekommen, will das jetzt aber mal ausprobieren. Was ist euer Rat für Gin-Anfänger?
Probier den Gin zunächst pur, um seinen Grundgeschmack zu verstehen. Danach kannst du mit einfachen Cocktails experimentieren, um zu sehen, wie er mit anderen Zutaten zusammenspielt. Und scheue dich nie, neue Kombinationen auszuprobieren.
Und wenn wir euren Gin so trinken wollen, wie ihr selbst das am liebsten macht: Was ist euer persönliches Perfect Serve mit dem Oh la la?
Yves: Ich genieße unseren Gin pur, um seine volle Komplexität zu genießen.
Florent: Für mich ist er am besten, wenn er einfach zuzubereiten und zu teilen ist. Es gibt nichts Besseres als einen Gin Tonic mit hochwertigen Zutaten. Ein Getränk, das alle glücklich macht. Einfach, aber das Beste.
Last but not least - eine Frage, die wir allen unseren Interviewpartnern stellen: Welche drei anderen Gins (neben eurem eigenen Produkt) stehen in eurer Home Bar? Und warum gerade diese drei?
Florent: Etsu Pacific Ocean Gin: Abgesehen von seinem schönen Etikett, gefällt er mir wegen seiner Originalität und seinem japanischen Touch durch die Verwendung lokaler und hochwertiger Zutaten. Der subtile Unterton von Meersalz ist das, was für mich heraussticht.
Während meiner Geschäftsreise nach Paris stieß ich auf Serge Gin, eine limitierte Auflage mit Habanero-Pfeffer. Die Gewürze vermischen sich gut mit den frischen botanischen Noten und die Schärfe bleibt auch nach der Verkostung erhalten.
Juillet Gin von Maison Ferroni, wegen seiner Hingabe an die Handwerkskunst. Juillet Gin verkörpert die Essenz von Innovation und Kreativität und hebt sich als Trendsetter für französischen Gin ab.
Yves: Saneha Gin ist ein Gin, den ich während meines Urlaubs in Thailand in der Chalong Bay Destillerie entdeckt habe, als ich meinen Sohn Florent besuchte. Die exotischen Aromen und die lokalen Zutaten aus der Region erinnern mich an Thailand.
Der zweite Gin ist Principe de Los Apostoles Gin aus Argentinien. Es handelt sich um einen Gin auf Weizenbasis mit einer Textur, die an Wodka erinnert. Die Mischung aus lokalen pflanzlichen Stoffen, darunter Yerba Mate, in Kombination mit den Wacholderbeeren verleiht ihm seinen frischen und minzigen Charakter. Ich kombiniere ihn oft gerne mit Grapefruit und Tonic für eine erfrischende Abwechslung.
Schließlich gibt es noch einen japanischen Gin namens Ki No Bi, der in der Nähe von Kyoto hergestellt wird. Ich mag die harmonische Mischung aus lokalen Pflanzen, darunter Yuzu, Pfeffer und Tee. Die feinen Aromen von Japan sprechen mich an und spiegeln die Kunst und Tradition des Landes wider.