Good to know: Speakeasy Bars damals und heute
Wir würden wetten, dass Dir das folgende Video auch schon mal begegnet ist: Es ist Abend, jemand stöbert durch einen Waschsalon in Paris. Knöpfe werden gedrückt, Maschinen geöffnet und irgendwie sieht es nicht danach aus, als wollte die Person im Video hier ihre Wäsche waschen. Und tatsächlich: Darum geht es gar nicht - auch wenn das in 7 der insgesamt 8 Maschinen durchaus möglich wäre. Früher oder später findet in besagtem Video jemand den richtigen Griff und hinter der Waschmaschine Nr. 4 erscheint der Eingang zu einer Bar: dem Lavomatic.
Der Reiz der Exklusivität
So oder so ähnlich sind Flüsterkneipen, also die sogenannten Speakeasy Bars, zu einem Trend bei Social Media geworden. Das Konzept basiert auf dem sogenannten Snob-Effekt: Wer diese Bars besuchen will, braucht Insiderwissen und wird dafür mit einem besonderen Abend abseits von überlaufenen Hotspots oder langweiligen Eck-Kneipen belohnt - zumindest so lange sich der vermeintlich geheime Ort nicht rumspricht.
Manche dieser Bars besinnen sich optisch noch auf ihre Wurzeln, die 1920er Jahre in New York, andere bewegen sich auch in Stil und Dekor in der Gegenwart, leben eher von der Exklusivität oder dem persönlichen Ambiente. Nicht selten fehlen Getränkekarten und namhafte Barkeeper empfehlen den Gästen stattdessen einen Special Drink ganz nach deren individuellem Gusto. Beliebt ist wohl vor allem das Gefühl, sich von anderen abzuheben und den Abend mit einem Geheimnis zu verbringen. Draußen gehen ahnungslos Leute vorbei, während man selbst zu den Eingeweihten gehört, die hinter einem Waschsalon, der Küchentür eines Tacco-Ladens oder im Inneren eines Brückenpfeilers wissend seine Drinks genießt.
Deutlich weniger glamourös: Der Ursprung der Flüsterkneipen
Ursprünglich stammen die Speakeasies aus den USA, wo dem "Noble Experiment" (zu dt. Das ehrenhafte Experiment) von 1920 bis 1933 ein Zusatzartikel der Verfassung gewidmet wurde: Der Handel mit und Ausschank von Alkohol wurde verboten. Diesem National Prohibition Act gingen Jahre aktivistischen Engagements voraus, das sich aus den unterschiedlichsten Bewegungen speiste. So sprachen sich neben streng gläubigen religiösen Vertretern der Alkoholabstinenz auch Mitglieder der Frauenbewegung und Unternehmer wie Henry Ford für ein Alkoholverbot aus. Die einen wollten damit Gewalt und Kriminalität Einhalt gebieten, andere den Sittenverfall und die Sünde unterbinden und wieder andere die Produktivität ihrer Arbeiter erhöhen, die nicht selten in der wenigen Freizeit, die ihnen blieb, in Saloons und Bars Glücksspiel, Alkohol und der Prostitution frönten.
Dass die Prohibition tatsächlich umgesetzt wurde (der damalige Präsident Woodrow Wilson hatte übrigens dagegen gestimmt), bedeutete nicht nur Alkoholverzicht für die Bürgerinnen und Bürger, sondern auch den Wegbruch eines großen Wirtschaftszweigs. Stattdessen boomte in dieser Zeit nun der Schwarzmarkt und mit ihm illegale Bars, die in der Öffentlichkeit nicht als solche erkannt werden durften. Dies war die Geburtsstunde der Speakeasies, deren Namen sich nun natürlich leicht nachvollziehen lässt: In den Bars durfte es keinesfalls so laut und ausgelassen zugehen wie vor der Prohibition, da der Standort sonst höchstwahrscheinlich aufgeflogen wäre.
Das Scheitern eines Experiments - New York während der Prohibition
Schätzungen zufolge gab es alleine in New York City über 30.000 dieser Bars. Sie wurden von Gangstern, Clans, Banden und Syndikaten betrieben und finanzierten die organisierte Kriminalität in den USA. Statt die Kriminalität zu bekämpfen, hatte man diese nun um einen sehr ertragreichen Zweig vergrößert. Auch der erhoffte gesundheitliche Aspekt konnte nicht umgesetzt werden: Durch die fehlende Kontrolle wurden viele minderwertige Spirituosen hergestellt, bei denen auch der sprittige Vor- und Nachlauf ausgeschenkt wurden. Da die Lagerräume klein und die Transporte gefährlich waren, konzentrierte man sich außerdem stärker auf Hochprozentiges als auf Wein oder Bier, wollte man die Kundschaft doch mit möglichst wenig Produktaufwand in den angestrebten Rauschzustand versetzen. Es wurden also während der Prohibition doppelt so viele hochprozentige Spirituosen konsumiert wie vor oder nach dem Verbot.
Der Bekämpfung des Schwarzmarktes und der Speakeasies war die Polizei nicht gewachsen und die Bürgerinnen und Bürger verloren zunehmend die Geduld ob der Clankriminalität auf den Straßen und des von ihnen verlangten Verzichts. Das "ehrenhafte Experiment" scheiterte und wurde während der Great Depression von Präsident Roosevelt auch deshalb für beendet erklärt, weil man die Steuereinnahmen des legalen Alkoholgeschäfts dann doch gut gebrauchen konnte.
Zurück in die Gegenwart - Nostalgie auf dem Spirituosenmarkt
Im Spirituosenbereich finden wir heute immer wieder Anspielungen auf diese Zeit. Die Schnaps- und Likör-Marke O'Donnell Moonshine beispielsweise bezieht sich beim Storytellung und Flaschendesign auf die Prohibition, als illegal gebrannter Alkohol ("Moonshine" genannt, da er bei Nacht hergestellt wurde) in Einmachgläsern, getarnt als Honig oder Öl, geschmuggelt wurde. Auch unser Gin of the Month im Juni greift das Thema auf: Der "Blind Tiger" war genauso wie das blinde Schwein ein Hinweis auf eine Speakeasy Bar. Ein zweites Produkt der Marke ist mit dem Namen "Mary White Vodka" der ungekrönten Königin der Alkoholschmuggler gewidmet. Vielleicht erinnerst Du Dich in diesem Kontext auch an die Old Toms, die Katzenfiguren zum Geldeinwurf, die zwar nicht in den USA, aber im Großbritannien des 18. Jahrhunderts ebenfalls ein Zeichen für illegale Bars waren und nach denen heute eine eigene Gin Kategorie benannt ist.
Die Zeiten des Verzichts und Verbots haben die Kulturgeschichte des Alkohols und - wie wir jetzt gesehen haben - auch der Barszene deutlich geprägt. Auch wenn wir heute eher romantisierend auf diese Zeit zurückblicken und sie lieber dekorativ mit etwas 20er-Jahre Charme schmücken statt über Gewalt und schlechten Billigfusel zu sprechen.
Für unsere Klicks wäre es sicher hilfreich, am Ende dieses Blogposts jetzt unsere 5 liebsten Speakeasy Bars aufzuzählen. Aber ganz ehrlich: Wo ist der Sinn eines geheimen Ortes, wenn er dann im Internet preisgegeben wird? Wer suchet, der findet - egal ob Du Dich selbst auf die Suche machen oder doch einfach googeln willst.
Cheers!